Im Oldtimer-Lastwagen auf grosser Fahrt

  15.11.2019 Auto, Baselbiet, Bubendorf, Ziefen

Moritz Thommen ist ein Sammler. Er sammelt alte Lastwagen der französischen Marke Unic. Der Bubendörfer sammelt auch Kilometer. Auf seiner Weltreise – im Oldtimer-Lastwagen-Wohnmobil.

Christian Horisberger

Moritz Thommen und seine Ehefrau Maya Leutert dürften sich zurzeit in der Nähe von San José im Süden Panamas befinden. Thommen am Lenkrad eines 19 Tonnen schweren Lastwagens, Baujahr 1974, seine Partnerin auf dem Beifahrersitz. Oder sie haben das Fahrzeug parkiert und kochen im Wohncontainer hinter der Führerkabine Zmittag, um es anschliessend mit Blick auf den Regenwald oder das Meer zu geniessen.

Am 29. Oktober brach das Ehepaar in Panama City zu einer weiteren Etappe ihrer Weltreise im Oldtimer-Lastwagen-Wohnmobil auf, die 2017 ihren Anfang genommen hatte. Die ersten Etappen der grossen Fahrt führten die beiden nach Griechenland, Skandinavien, Österreich, Irland, Frankreich, Spanien und Portugal. Gegen Ende 2018 bereisten sie Marokko. Dieses Jahr verbrachten sie in der Schweiz, ehe sie das Wohnmobil Ende September nach Mittelamerika verschifften und im Flugzeug hinterherreisten. Die aktuelle Reise führt über Costa Rica, Nicaragua, Honduras, Guatemala und Mexiko in die USA. Dann ist für einige Monate Verschnaufen in der Heimat angesagt, ehe der Trip weitergeht. Das jedenfalls ist der Plan.

Ob sich die Globetrotter daran halten, wo genau und für wie lange sie haltmachen und was sie alles zu sehen bekommen, lässt sich auf www. mokama.ch nachverfolgen. Moritz Thommen liess die Website eigens für das Weltreiseprojekt anlegen. Sie zeigt auf einer Karte die absolvierte Strecke, dazu sind von jeder Etappe zahlreiche Bilder abgelegt. Zudem hält Maya Leutert auf einem Reiseblog ihre prägendsten Erinnerungen des Abenteuers fest.

Lastwagen-Lexikon
Die Weltreise im Wohnlastwagen passt zu Moritz Thommen wie die Faust aufs Auge. Der 66-jährige ETH-Ingenieur mit Wurzeln in Bubendorf ist ein Tüftler und Entwickler. Er ist ein Mensch, für den «geht nicht» keine Gültigkeit zu haben scheint. Er tut Dinge, die der Durchschnittsschweizer für verrückt halten mag, aber mit einer derartigen Konsequenz und Gewissenhaftigkeit, dass Zweifler ein voreilig gefasstes Urteil revidieren müssen. Was sich der Mann einmal in den Kopf gesetzt hat, das zieht er durch.

Ein Beispiel: Moritz Thommen sammelt alte Lastwagen der französischen Marke Unic. Um sie restaurieren und präsentieren zu können, hat er 2010 zwischen Bubendorf und Ziefen für einen siebenstelligen Betrag eine Halle errichten lassen. Für sein Hobby, wohlbemerkt. Aber wenn er die Geschichte von sich und den Lastwagen erzählt, kann man nachvollziehen, warum er eigentlich gar nicht anders konnte, als das Gebäude zu bauen.

Das Interesse Thommens an den schweren Fahrzeugen ist eng verknüpft mit der Garage Kurve, die sein Vater Max 1961 in Bubendorf gegründet hatte. Zusätzlich zu den Personenwagen der Marken Simca, Mercedes, Fiat und Studebaker nahm der Garagist in den 1960er-Jahren auch Lastwagen der Marke Unic ins Verkaufsprogramm. Der älteste Sohn war sofort Feuer und Flamme.

36 Tage nach seinem 18. Geburtstag hatte Moritz auch schon den Lastwagen-Fahrausweis in der Tasche. Auch aus praktischen Gründen: An Mittwochnachmittagen nahm er in Basel das Flugzeug nach Paris und fuhr in der Nacht einen Lastwagen von den dortigen Unic-Werken heim nach Bubendorf. «Am Donnerstagmorgen drückte ich wieder die Schulbank», erzählt er.

Einmalige Sammlung
Die Lastwagen in der Unic-Halle, die bis vor Kurzem für einen Neuanstrich eingerüstet war, haben die Garage Kurve nie von innen gesehen. Der Lastwagen-Fan hat sie in Frankreich ausfindig gemacht und zum Teil eigenhändig restauriert. «Die sind besser im Schuss als neu», sagt er und erklärt: Die Materialien, insbesondere die Farben, seien heute hochwertiger als damals, die Fahrzeuge somit weniger anfällig auf Rost. Die Restaurationen führte Thommen in seiner privaten Museums-Werkstatt aus, weshalb er darin auch einen 10-Tonnen-Lastenkran und eine Sandstrahl-Anlage einbauen liess.

Die einmalige Sammlung umfasst zehn Lastwagen, erbaut zwischen 1952 und 1974. Drei haben Defekte, wären gemäss Thommen ansonsten fahrtauglich, fünf laufen und zwei seien «wie neu». Hinzu kommen drei Personenwagen desselben Herstellers aus den Jahren 1908, 1928 und 1935 sowie ein Lieferwagen von 1923. Unic hat im frühen 20. Jahrhundert als Autobauer angefangen, erzähltThommen. Damals seien die Autofirmen wie Pilze aus dem Boden geschossen, 320 davon alleine im Grossraum Paris. Der Markenname Unic existiert seit 1904. Bis 1935 produzierte das Unternehmen Personenwagen, dann konzentrierte es sich voll auf Lastwagen – bis es 1976 im italienischen Iveco-Konzern aufging.

Thommen kann selbst einen entfernten «Verwandten» von Unic in der Schweiz nennen: Saurer. Die heutigen Iveco-Diesel werden in Arbon entwickelt, wo einst Saurer-Lastwagen und Busse vom Band liefen. Dies, so Thommen, sei wohl auch der Grund, weshalb die Schweizer Armee ihre Lastwagen bei Iveco beschafft. Thommen ist ein Lastwagen-Lexikon.

Aufmüpfiger Garagist
Nach dem Gymnasium studierte der Garagisten-Sohn an der ETH Maschinenbau. In seiner Diplomarbeit konzentrierte er sich auf Dieselmotoren und Gasturbinen. Seine Sporen verdiente er in der Versuchsabteilung des amerikanischen Dieselmotorenherstellers Cummins und als Motoren-Versuchschef bei BMW-Steyr in Österreich ab. Dann gründete er eine Firma für Software-Entwicklung.

Ab 1999 führte Thommen, der heute in Erlenbach am Zürichsee lebt, für knapp zehn Jahre die Garage Kurve in Bubendorf. Die Kunden seien stets sehr zufrieden gewesen, das hätten die Ratings belegt, erzählt der Motorenfachmann. Nicht so der Importeur. Dieser kündigte Thommen, dem aufmüpfigen Präsidenten des Peugeot-Händlerverbands, die Marke. Heute spricht er von einem Befreiungsschlag, als er die Garage Kurve in die Hände der Thürner Peugeot-Garage Niederhauser legen und sich wieder der IT und vermehrt seinem alten Blech widmen konnte.

Ein Oldtimer hat besonders viel Zuwendung erhalten: Der 74er Unic, mit dem Thommen und seine Ehefrau nun auf Achse sind. Von der ersten bis zur letzten Schraube hat der Lastwagen-Fan das Fahrzeug auseinandergenommen und wieder zusammengebaut. Den Wohncontainer liess er in Holland anfertigen – inklusive Küche mit Induktionsherd und elektrisch versenkbarem Esstisch. Die Aussengestaltung des Mega-Wohnmobils mit schamanischen Symbolen aus allen Kontinenten ist so einmalig wie das Fahrzeug an sich. Hier hat Maya Leutert gewirkt.

Pech auf der ersten Etappe
Neben dem Notwendigen zum Leben und Reisen sind alle erdenklichen Werkzeuge und Ersatzteile mit an Bord: Zylinderkopf mit Dichtungen, Kolben, Öl- und Einspritzpumpen … Bei einem Defekt in Griechenland war allerdings selbst der Ingenieur mit seinem Latein am Ende. Der Lastwagen hatte einen Motorschaden und musste von der Autobahn geschafft werden. Beim unsachgemässen Abschleppen wurde das Kardangelenk der Vorderachse derart beschädigt, dass die Weltreisenden frühzeitig heimkehren mussten, um das Fahrzeug wieder flottmachen zu können. Derartige Überraschungen blieben den Reisenden auf den weiteren Etappen erspart. Inzwischen haben sie bereits rund 40 000 Kilometer zurückgelegt.

Nach der aktuellen Etappe durch Zentralamerika stehen die US-Nationalparks und Kanada auf dem Reiseprogramm. Dann soll es weiter nach Südamerika gehen.

Von ihrem ursprünglichen Plan, die Welt in fünf Jahren nonstop zu bereisen, sind die beiden abgekommen. «Dafür sind wir zu alt», sagt Thommen. Er und seine Frau würden es geniessen, zwischenzeitlich einige Monate bei Verwandten und Freunden zu verbringen. Ausserdem muss das Wohnmobil mit dem Nummernschild «BL 2» ja auch alle zwei Jahre zur Motorfahrzeugkontrolle. Und die befindet sich in Münchenstein, Baselland.


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