Sportler besiegen Gemeinderat

  17.10.2019 Bauprojekte, Fussball, Sissach, Sport, Bezirk Sissach

Der Kunstrasen auf der Sportanlage Tannenbrunn wird nicht nur saniert, sondern auch vergrössert. Die Gemeindeversammlung sprach dafür mit überwältigendem Mehr einen Kredit über 1,265 Millionen Franken.

Christian Horisberger

«Wenn die Sissacher Sportvereine etwas wollen, dann bekommen sie es auch.» Die Feststellung von alt Landrat Stefan Zemp (SP) in der Diskussion um den Kunstrasen auf der Sportanlage Tannenbrunn sollte sich bewahrheiten. In der Schlussabstimmung hiess der Souverän die vom Komitee «pro Breitensport» beantragte Vergrösserung des Spielfelds gut. 111 Stimmberechtigte sagten Ja, 27 Nein, 8 enthielten sich. Mit einem fast identischen Stimmenverhältnis hatte die Versammlung zuvor der Vergrösserung gegenüber der reinen Sanierung, wie sie der Gemeinderat vorschlug, den Vorzug gegeben. Die grössere Variante kostet fast exakt das Doppelte der Sanierung: 1,265 Millionen Franken.

Die Diskussion verlief mit wenigen Ausnahmen sehr sachlich. Dies war nicht zuletzt der nüchternen Präsentation des Ausbauprojekts durch Jürg Chrétien und Daniel Schaub vom Komitee «pro Breitensport» geschuldet. Sie zeigten auf, was die Sportvereine – nie war vom Hauptprofiteur SV Sissach die Rede – mit der Erweiterung des Feldes um 1000 Quadratmeter zu gewinnen haben: Ein Spielfeld, das ohne Sonderbewilligung des Fussballverbands offizielle Meisterschaftsspiele im Elfer-Fussball bis zur zweiten Liga zulässt.

Letzte Chance
Die Gelegenheit sei günstig, jetzt habe die Gemeinde die letzte Chance, aus ihrer Infrastruktur das Möglichste herauszukitzeln. Sissach habe keine Landreserven, um an einer anderen Stelle jemals einen weiteren Fussballplatz zu realisieren. Die bestehende Infrastruktur – Finnenbahn und Baseball – würden von der Vergrösserung des Spielfelds nicht tangiert, es werde in Richtung Ebenrain – nur in die Breite – vergrössert, ergänzte Daniel Schaub. Dafür müsse der Hang abgetragen und gesichert werden, was mit 450 000 Franken zu Buche schlage.

«Können wir uns das leisten?», fragte Schaub rhetorisch und gab die Antwort gleich selber: «Jawohl!» Sissachs Rechnungsabschlüsse in den vergangenen Jahren seien durchwegs positiv, die Gemeinde habe Rückstellungen bilden können. Gemessen an den Investitionen in den kommenden Jahren seien die Mehrausgaben für den grösseren Kunstrasen bescheiden.

«Rasen» mit Beregnungsanlage
Zuvor hatte Sportchefin Beatrice Mahrer das Sanierungsprojekt im Sinne des Gemeinderats vorgestellt: Ein Realersatz mit einem neuen, dichteren Kunstrasen ohne Granulat, dafür mit einer Beregnungsanlage zum Schutz des Spielfelds vor Hitze und Abrieb. Dazu die Versetzung jener Beleuchtungsmasten, die sich zu nahe am Spielfeld befinden – gemäss den Richtlinien des Fussballverbands zur Erhöhung der Sicherheit der Sportler. Der Gemeinderat, der die Dringlichkeit und Notwendigkeit der Erneuerung des Kunstrasens nicht infrage stelle, habe sich für die Minimalvariante entschieden. Dies nicht zuletzt, weil es in seiner Verantwortung liege, das Wünschbare vom Machbaren zu trennen, wie Gemeindepräsident Peter Buser anführte. Er merkte an, dass sich der SV Sissach als Nutzniesser der Anlage an den Mehrkosten beteiligen könne. Diese Bemerkung blieb unkommentiert.

Am orchestrierten, grossen Aufmarsch von Aktiven der Sportvereine nahm Versammlungsteilnehmerin Sonja Gerber Anstoss. Sie mutmasste, dass viele der ihr neuen Gesichter an dieser «Gmäini» sich für andere wichtige Geschäfte der Gemeinde nicht interessierten, ebenso wenig für die Kosten, die in naher Zukunft auf die Gemeinde zukommen. Die Gemeinde müsse auch in andere Projekte investieren; Schulen zum Beispiel. Mit dem «Kunsti»-Debakel im Hinterkopf warnte sie vor einem «Selbstbedienungsladen» für Projekte, die nur wenigen nützten. «Einmal muss doch auch genug sein», so ihr Appell.

Alt Gemeindepräsident Ruedi Schaffner, der nach 16 Jahren selbst auferlegter Abstinenz erstmals wieder eine Gemeindeversammlung besuchte, wies auf die soziale und integrative Bedeutung der Sportvereine hin. Als ehemaliger Leiter des Kantonalen Sozialamts wisse er, dass ein einziger Jugendlicher, der in eine Drogenlaufbahn gerät und «durch die Maschen fällt», die öffentliche Hand einen Millionenbetrag koste. Da seien die 600 000 Franken extra gut investiertes Geld.

Das Argument wollte nicht so recht stechen. Zwei Votanten bezweifelten, dass die Verbreiterung des Spielfelds in diesem Zusammenhang einen Effekt hätte. Ruedi Hirsbrunner sah im kleineren Feld eher einen Vorteil: «Vielleicht kommen sich die Leute so ja näher.» Auch Gemeindepräsident Peter Buser konnte sich eine Spitze gegen seinen Vor-Vorgänger Schaffner nicht verkneifen: «Das Zitat ‹Wünschbares vom Machbaren trennen› stammt von dir, Ruedi.»

Mit Beatus «Battli» Häberli meldete sich ein weiteres ehemaliges Mitglied des Gemeinderats zu Wort. Er sprach von Kostenzwängerei; man habe dem Sport schon genug gegeben. Er beantragte, das Geschäft für zwei Jahre zurückzustellen, um es «ordentlich zu planen». Davon wollte Jürg Chrétien aber nichts wissen. Die Lebensdauer des Kunstrasens sei bereits überschritten, das Projekt sei nicht aus der Schublade gezogen worden, sondern gäre bereits zwei Jahre. Nur seien die Vertreter des Sports beim Gemeinderat wiederholt aufgelaufen. Man könne alles machen, ausser das Geschäft wieder an den Absender zurückzuschicken. Dem pflichteten die Anwesenden bei. Nur sechs Stimmbürger votierten für Häberlis Antrag. Er wurde abgelehnt.

Erfolgreich war dagegen der Antrag von Karl Wirz. Er verlangte, dass beim Bau des neuen Kunstrasens sichergestellt wird, dass keine Mikropartikel in den Untergrund beziehungsweise via Entwässerung an der Kläranlage vorbei in einen Bach geleitet werden. Die Versammlung befürwortete das Anliegen mit 61 zu 52 Stimmen. Gemeindepräsident Buser kündigte an, dass der Gemeinderat dies bei der Projektierung berücksichtigen werde, und falls es zu Mehrkosten führen sollte, würden diese der Gemeindeversammlung wieder zur Beschlussfassung unterbreitet.

Kunsti-Abrechnung im Dezember
Diskussionslos und einstimmig segnete die Versammlung nachträglich ein Darlehen der Gemeinde über 200 000 Franken an die Genossenschaft Alterssiedlung Sissach für den Umbau einer Liegenschaft ab. Dieses hatte der Gemeinderat bereits 2016 zu einem Zins von 1,5 Prozent gewährt, und es ist bis Ende 2021 rückzahlbar. Die Rechnungsprüfungskommission hatte darauf hingewiesen, dass der Souverän dazu Stellung nehmen sollte. Deshalb die verspätete Abstimmung.

Ebenfalls unbestritten war der Ersatz einer 80 Jahre alten Sauberwasserleitung im Mühlemattweg samt Strassensanierung. Die Versammlung bewilligte einen Kredit über 225 000 Franken – 195 000 Franken für die Wasserleitung und 30 000 Franken Gemeinde-Anteil an der Privatstrasse.

Zum Dessert der Sportanlagen- «Gmäini» kündigte der Gemeindepräsident an, dass die Schlussabrechnung der «Kunsti»-Sanierung auf der Zielgeraden sei. Sie liege im Groben vor und werde gegenwärtig von der Verwaltung geprüft. Nachdem der Gemeinderat sie verabschiedet hat, werde sie dem Souverän an der Budget-Gemeindeversammlung am 11. Dezember unterbreitet. Es werde voraussichtlich bei einer Kostenüberschreitung im Rahmen der angekündigten 15 Prozent bleiben. Bewilligt ist ein Kredit über 8,7 Millionen Franken.


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