Cheditte-Überbauung auf Eis gelegt

  16.05.2019 Bauprojekte, Gesellschaft, Bezirk Liestal, Justiz

Das Kantonsgericht hebt den bewilligten Quartierplan wieder auf

Die geplante Überbauung des Quartiers Weidmatt auf Liestaler Boden muss eine Extra-Runde nehmen. Das Kantonsgericht hat die Bewilligung des Quartierplans gestern aufgehoben. Die Planungsbehörden hätten sich nicht hinreichend mit dem Schutz der alten Fabrikgebäude beschäftigt.

Sebastian Schanzer

Die Stadt Liestal muss sich mit der Überbauung des ehemaligen Cheddite-Areals weiter gedulden. Das Kantonsgericht hiess gestern die Beschwerde des Baselbieter Heimatschutzes gegen den vom Einwohnerrat und von der Baselbieter Regierung bewilligten Quartierplan Cheddite II gut. Eine seriöse Abwägung zwischen dem Interesse am Schutz der mehr als 100 Jahre alten Fabrikgebäude und jenem an einer möglichst hohen baulichen Nutzung des Areals habe nicht stattgefunden, so das einstimmige Urteil der fünf Kantonsrichter. Damit hätten die Behörden gegen das Denkmalschutzgesetz verstossen.

Die Stadt Liestal muss dies nun nachholen und überprüfen, ob das im «Heimatstil» erbaute Gebäude-Ensemble am Stadtrand zwischen Ergolz und bewaldeten Hügeln schützens- und erhaltenswert ist oder nicht. Erst dann könne eine rechtsgenügliche Interessenabwägung vorgenommen werden, wie Kantonsrichter Niklaus Ruckstuhl sagte. Als Grundlage dazu empfiehlt der Heimatschutz in seiner Beschwerde ein Gutachten der eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege. Ruckstuhl betonte allerdings: «Sollten die Gebäude von Fachleuten als schützenswert beurteilt werden, heisst das nicht, dass sie auch erhalten werden müssen.» So könnten etwa Ziele der Raumplanung höher gewichtet werden. «Wichtig ist aber, dass eine Abwägung der Interessen basierend auf vollständigen Grundlagen erfolgt.»

Inventar ist kein Gutachten
Zu diskutieren gab an der Verhandlung insbesondere die Rolle eines vom Stadtbauamt in Auftrag gegebenen Inventars. Verfasst hat dieses die Kunsthistorikerin Doris Huggel, die – wie sich erst an der Verhandlung herausgestellt hat – auch Mitglied des Heimatschutz-Vereins ist. Sie hat die insgesamt neun Gebäude auf dem neu zu überbauenden Areal beschrieben und nach kultur- und bauhistorischen Kriterien gewürdigt. Dabei ist sie zum Schluss gekommen, das Häuserensemble sei «eine seltene Zeugin der ersten Generation solcher Fabriken in der Schweiz». Die «Chedditi» habe darüber hinaus ein architektonisch und industriegeschichtlich «ganz besonderes Kapitel der Liestaler Geschichte des 20. Jahrhunderts» geschrieben.

Was man im Inventar allerdings vergeblich sucht, ist eine explizite Empfehlung, ob die Häuser nun schützenswert sind oder nicht. Das war nämlich nicht Bestandteil des Auftrags aus Liestal, wie Huggel vor dem Richtergremium betonte. «Dieses Inventar hätte aber Anlass sein müssen für eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Schutzwürdigkeit der Gebäude», mahnte gestern der Rechtsvertreter des Heimatschutzes, Michael Kunz. Es brauche ein Gutachten von Fachleuten. Anstatt ein solches in Auftrag zu geben, hätten die Liestaler Behörden bei der Quartierplanung nicht einmal Huggels Würdigung hinreichend berücksichtigt.

«Abriss wäre legitim»
Auch die Regierung erachtete die Tatsache, dass die Fabrikgebäude weder im kantonalen Bauinventar (BIB) der Denkmalpflege noch im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (Isos) erwähnt sind, als ausreichenden Hinweis dafür, dass die alten Gebäude nicht schützenswert seien. Sie lehnte die Beschwerde vor knapp einem Jahr erstinstanzlich ab. Andres Rohner, stellvertretender Leiter der Rechtsabteilung der Baudirektion, meinte gestern, es sei der Nachsicht der Investoren zu verdanken, dass die Gebäude überhaupt noch bestünden. Die Beschwerde habe nämlich keine aufschiebende Wirkug, ein Abriss wäre nach dem bewilligten Baugesuch legitim gewesen.

Erstaunt zeigte sich die Gerichtspräsidentin Franziska Preiswerk, dass in sämtlichen Akten keine Stellungnahme der kantonalen Denkmalpflege zu finden sei. «Das ist seltsam», sagte sie. Denn in der Vernehmlassung zum Verfahren vor Kantonsgericht versicherte die Baselbieter Baudirektion, die Schutzwürdigkeit sei von Fachleuten geprüft und abgelehnt worden. «Das ist mutig», sagte Richter Ruckstuhl. Denn die Behauptung entspreche wohl nicht der Wahrheit.

Thomas Noack, Leiter des Liestaler Stadtbauamts, hofft nun, dass sich die Investoren angesichts der Verzögerung nicht vom Projekt verabschieden. «In diesem Fall wäre die ganze Planungsarbeit umsonst gewesen.» Ein neuer Quartierplan müsste erstellt werden. Das wäre der schlimmste Fall. Noack geht davon aus, dass sich der Bau nun um rund ein Jahr verzögert – im besten Fall.


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